„Wandern ist eine Tätigkeit der Beine und ein Zustand der Seele“ – Josef-Hofmiller
Mein Jakobsweg
Mein Name ist Daniela und ich habe Depressionen. Was vor 6 Jahren mit einer Angst-und Panikstörung anfing, dann in eine schwere Depression mit Suizidgedanken überging, wurde von meinen Ärzten vor einigen Monaten als mittelgradige bis schwere bipolare Depression eingestuft. Im Volksmund auch als manische Depression bezeichnet. Himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt ist vielleicht noch besser verständlich.
ein Gastbeitrag von Daniela Herges-Hoffmann
Facebook – Daniela und die Dunkelheit
Blog: www.danielagegendiedunkelheit.wordpress.com/
Wenn ein Weg zu Ende geht dann zeigt sich ein neuer
Am 22. Juni dieses Jahres veränderte sich mein Leben für immer. Ich verließ meinen Mann, meine beiden Kinder, meinen Vater und unser Zuhause. Wenn ich heute darüber nachdenke schaue ich auf einen Albtraum zurück. Es fällt mir auch heute noch manchmal schwer zu begreifen, dass ich nun ein anderes Leben lebe.
Warum der Jakobsweg?
Ich las in einer Zeitschrift über den französischen Weg, den Caminho Frances. Doch für meine erste Wanderung erschien mir dieser mit ca 800 km doch etwas zu lang. Ich entschied mich für die Küstenvariante des Caminho Portugues. Ich bin Joggerin und nicht unsportlich und 260 km schienen mir machbar. Den Kopf frei bekommen, vielleicht erkennen wie es für mich weiter gehen könnte, in der Natur sein, an Grenzen stoßen und vielleicht durchbrechen, vorhandene Ängste eventuell ablegen, das waren meine Beweggründe. Ich wollte aus der Enge meines Zimmers, in die Freiheit der Wanderer entfliehen.
Die Flüge waren schnell gebucht. Ich hatte mich entschieden von Porto aus nach Santiago de Compostella zu gehen. Zuerst wollte ich alleine starten. Dann las ich in einem Pilgerforum von einer jungen Frau die zur selben Zeit den Weg gehen wollte. Ich schrieb sie an, und nach mehreren WhatsApp Nachrichten und Sprachnachrichten waren wir uns einig, dass wir von Porto aus erst einmal zusammen gehen wollten. Ich nenne sie Anna, da ich nicht weiß ob ihr die Erwähnung ihres Namens recht wäre. Meine Flugangst hatte ich nach zwei Prosecco und einem guten Gespräch mit meinen Sitznachbarn, auf dem Hinflug, bereits abgelegt. In der Nähe von Porto in einem kleinen Hotel trafen Anna und ich uns dann das erste Mal. Es war Freundschaft auf den ersten Blick. Obwohl uns 27 Jahre Altersunterschied trennten verstanden wir uns auf Anhieb. Anna war der erste Wegweiser auf dieser Strecke und alles danach fügte sich auf wunderbare Weise in meinen Weg ein.
„Ich glaube ganz fest daran, dass nichts ohne Grund geschieht und dass wir immer dort sind wo wir sein wollen.“
Wir konnten es beide nicht so recht glauben, dass zwei sich völlig fremde Menschen so wunderbar zusammen harmonisierten. Ob es die Wahl der Bars war, oder die Auswahl der Herbergen oder Pensionen, wir fanden immer zusammen. Und obwohl wir nur die erste und letzte Nacht auf unserer Reise für uns beide schon gebucht hatten, schliefen wir nur die vorletzte Nacht in getrennten Unterkünften.
Wir hatten einen Tag in Porto eingeplant und lernten auch gleich noch zwei deutsche Pilgerinnen kennen, mit denen wir uns gut verstanden. Auch mit ihnen hatten wir immer wieder Begegnungen und Gespräche. Manchmal gingen wir auch ein Stück des Weges zusammen. Anna und ich hatten nicht wirklich Lust auf Sightseeing in Porto. Wir wollten endlich los. Und als wir am nächsten Tag dann mit jeweils fast 9 kg Gepäck auf dem Rücken an Portugals Küste entlang liefen, war das Gefühl der Freiheit unbeschreiblich. Zwischen 15 und 25 km gingen wir täglich. Meistens waren es über 20. Wir hatten 10 Tage um die 260 km zurück zulegen. Deshalb planten wir wenigstens ungefähr unsere Tagesetappen. Planlos drauf los zu laufen hätte leicht daneben gehen können. Denn vor allem in Portugal sind in manchen Gegenden keine Übernachtungsmöglichkeiten vorhanden. Außer der Wegplanung ging es in den nächsten beiden Wochen nur noch um die Fragen „Wo kann ich was günstig essen?“ und „Wo schlafe ich günstig?“ Den ausführlichen Bericht über meine Wanderung findet ihr in den nächsten Wochen in meinem Blog. Hier möchte ich nur noch auf ein besonderes Erlebnis eingehen.
Es war schon gegen Ende der Reise, auf dem spanischen Jakobsweg. Ich hatte keinen sehr guten Tag. Die Last auf meinen Schultern schien heute besonders schwer zu wiegen. Anna war schneller unterwegs als ich. Sie schien mit sich im Einklang. Generell liefen wir oftmals nicht zusammen, sondern trafen uns immer mal wieder zum essen oder schlafen. Als ich an einem Café vorbei kam traf ich auf Julia (Name geändert). In den Tagen zuvor war mir die attraktive, sehr sympathische Mama von vier Kindern immer mal wieder positiv aufgefallen. Erst einen Tag zuvor hatte ich mit ihr über ihre Beweggründe den Weg zu gehen gesprochen. Ihr Mann erschien mir neben ihr eher unauffällig. Doch die Familie wirkte glücklich auf mich. Julia hatte ihre Jacke in dem Cafe vergessen, und so lief sie zurück um sie zu holen. Ihr Mann und die Kinder waren schon ohne sie weiter gegangen. Es war als ob ich sie aus einem anderen Leben kannte, so vertraut war sie mir. Ich erfuhr, dass sie die Fähigkeit besaß gewisse Ereignisse im Leben der Menschen zu sehen, Gefühle zu spüren. Und sie erwähnte, dass ihr Mann mit dieser Fähigkeit Probleme hatte. Julia öffnete sich auch mir und ich erfuhr, dass ihre Ehe nicht so glücklich war wie sie schien. Sie sagte mir Dinge die sie nicht wissen konnte und die sich nachher als richtig rausstellten. Sie fühlte in mich hinein, und noch während unserer Unterhaltung spürte ich, dass die Last auf meinen Schultern weniger wurde. Als wir nach etwa zwei Stunden ihre Familie eingeholt hatten trennten sich unsere Wege wieder.
Danach veränderte sich etwas in mir. Es war wie ein helles, warmes Licht das von meinem Innern nach außen schien. Für eine kurze Weile gab es nur noch Licht und Wärme. Das war meine Begegnung mit Gott. Danach trug ich keine Last mehr auf meinen Schultern. Ich hatte die Steine der Vergangenheit auf dieser Wegstrecke abgelegt und konnte mir verzeihen. Dennoch weinte ich sehr über die Erkenntnis die Liebe meines Lebens verloren zu haben.
ein Gastbeitrag von Daniela Herges-Hoffmann